Sonntag, 10. März 2013

Der ganz große Wurf


Nun stand es also an, das Rückspiel Fortuna Düsseldorfs gegen den Ligaprimus FC Bayern München. Angesichts unserer Hinspiel-Niederlage von 0:5 in heimischer Arena, wenngleich unter frenetischem Jubel gefeiert, dämpfte meine Erwartungshaltung auf ein Minimum. Augen zu und durch.

Unsere Jungs indes marschierten erhobenen Hauptes auf's Münchner Spielfeld; was hatte man schon zu verlieren? Auch wenn man sich erfahrungsgemäß gegen große Gegner oft besser und konzentrierter anstellte als bei solchen, die vermeintlich auf Augenhöhe liegen, war die Ausgangslage doch eine einfache. Der FCB spielt "in einer eigenen Liga", wird sich die Meisterschaft nicht mehr nehmen lassen und gewinnt Spiel um Spiel, oft hoch und meist zu Null, unabhängig davon, welch hochrangiger Gegner auch gegen ihn anzurennen versucht.

So spielte unser Team von Beginn an forsch auf, begünstigt auch dadurch, dass Bayern es ungewöhnlich ruhig angehen ließ, trotz des Trainers Ermahnung, dass die Düsseldorfer durchaus ernst zu nehmen seien.

Wir hatten vielleicht auch den Vorteil, dass wir uns allein auf dieses Match fokussieren konnten, während für die Münchner bereits am Mittwoch ein Champions League Spiel auf dem Programm steht.

Von der bis dato halben Kraft der Bayern profitierend geschah in der 16. Minute das unglaubliche: Wir gingen in Führung!

Ein Moment des unfassbaren Glücks. Wir, der kleine, totgesagte Aufsteiger, erzielten auswärts das 1:0. In München! Bescherten dieser Übermannschaft den erst 9. Gegentreffer der gesamten Saison. Was für ein Gefühl, welch unbändige Freude! Das rot-weiße Herz tanzte in der Brust,hoch gesteckte Arme wurden ergriffen, gemeinsam umher hüpfend brüllte man sich "Tor!Tor!" in einer Lautstärke ins Ohr, die unter normalen Umständen einen Kopfhörer zum Schutz des Trommelfells erfordert hätten, Gesichter, die gemeinsam strahlten ob des unbegreiflichen Geschehens.

Leise meldete sich eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf: "Noch so lange zu gehen.." Oft schon hatten wir eine frühe Führung hergeschenkt, hatten Mühe, die Konzentration über die restliche Spielzeit konstant aufrecht zu erhalten.

Wie erwartet erhöhten die Bayern nun deutlich den Druck, generierten Chance um Chance, belagerten unser Tor und obwohl wir versuchten, so kompakt wie möglich zu verteidigen, kam, was kommen musste: Der letztlich unhaltbare Schuss Müllers vorbei an Fabi Giefer in unseren Kasten kurz vor der Halbzeitpause. Da war selbst unser Schlussmann machtlos, der zuvor Bälle abgewehrt hatte, die bei manchen Kollegen seiner Zunft vermutlich längst im Netz gelandet wären.

Im folgenden Verlauf ergab sich das Bild des -vermutlich unfreiwilligen- Versuchs, das bisherige Ergebnis zu verwalten. Tief in den eigenen Strafraum gedrängt, zeigte sich einmal mehr, welche Unterschiede zwischen uns und den Bayern im Hinblick auf Tempo, Technik und spielerischen Möglichkeiten bestehen. Aus der Defensive heraus einen schnellen Konter zu erzeugen, war für die Fortunen in dieser Phase unmöglich.

Bis zur 70. Minute konnten wir uns erfolgreich gegen weitere Großchancen der Münchner wehren. Es mehrte sich die Hoffnung auf die kleine Sensation, einen Punkt aus der Allianz Arena mitnehmen zu können. Das Glück schien uns hold, denn selbst eigentlich hundertprozentig sichere Tor- und Lattenschüsse des Gegners wurde vom überragenden Giefer pariert.

Und plötzlich passierte das Wunder Nr.2. Giefer schlug ab, Fink verlängerte per Kopf, Lumpi fischte den Ball und rannte los. Zwei gegnerische Spieler nahmen die Verfolgung auf aber Lumpi rannte und rannte. Und er schoss. Ein Mann, ein Ziel, ein Tor! Sein erstes Bundesligator. Ein historisches. Denn niemandem außer ihm gelang es bisher, für denselben Verein in vier Ligen Tore zu erzielen. Ihm, dem so oft Gescholtenen ob seiner mangelnden spielerischen Qualitäten.

Ungläubiges Staunen und grenzenloser Jubel machten sich breit, Adrenalin schoss durch meine Adern. Da war er, der ganz große Wurf. Eine zweimalige Führung beim Rekordmeister! Wir fühlten uns wie die Könige. Und das waren wir in jenem Moment auch. Ein unbändiger Stolz erfüllte mich. Eine Liebe, fest verankert in meinem Herzen, für unsere Truppe, einfache Jungs, aus zumeist unteren Ligen zusammengewürfelt, weil wir uns Stars aus dem europäischen Spitzenmarkt schlicht nicht leisten können.

Arbeiter, die gelernt haben, was uns auszeichnet: Kampfgeist. Und die Demut, den unteren Rand der Peripherie zu beschreiten, wenn das eigene Spielvermögen seine Endlichkeit erreicht.

In tiefer Dankbarkeit genoss ich diesen- für mich unvergänglichen- raren Augenblick. Aus dem ich kaum zwei Minuten später erwachen musste, als der Ausgleichstreffer in unserem Kasten klingelte.

Noch immer hoffte ich für unsere Jungs, den einen Punkt halten zu können. Einen Punkt für den Mut, sich nicht kampflos zu ergeben, dafür, dass man trotz des Wissens um die absolute Überlegenheit des Gegners Möglichkeiten gesucht und gefunden hatte.

Es sollte nicht sein. In der 86. Minute fiel der finale Siegtreffer des FCB. Es gab keine Belohnung, stattdessen nur das, was zu Beginn der Partie jeder erwartet hatte. Ein Ergebnis, dass uns mit leeren Händen dastehen ließ.

In meinen Stolz für unsere tapferen Kämpfer mischte sich Trauer. Ich hätte es ihnen so sehr gegönnt, etwas Zählbares nach Hause mitzunehmen. Mir war egal, ob man das allgemein für vermessen hielt. Wie groß muss die Enttäuschung gewesen sein. Zweimal war ein Erfolg zum Greifen nah aber am Ende stand man da und schmeckte nur den Triumph der anderen. Den größten Respekt haben sich sich dennoch verdient, zumindest meinen.

Ich gebe die Hoffnung auf den Klassenerhalt nicht auf, auch wenn der Punktevorsprung schmilzt. Die Mannschaft ist zusammengewachsen und hat bewiesen, dass sie Moral zeigen kann.

Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.


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