Dienstag, 25. August 2015

Alsterpark


Ich bahnte mir den Weg durch den Eingang des Parks, folgte dem verschlungenen Weg und plötzlich sah ich sie. Sie stand da, hielt den kleinen, bunten Strauß fest umklammert, ihr weißes Kleid schmiegte sich an ihren Oberkörper und umhüllte sie abwärts der Taille in eine seidig- taftene Wolke. Noch einige Meter trennten mich von ihr und doch erfassten ihre leuchtenden Augen mich bereits. Sie wirkte zart und zerbrechlich und zugleich stark und gefestigt. Die Sonne lugte hier und dort zwischen den Bäumen hervor und tauchte sie in glänzendes Licht und geheimnisvolle Schatten. Sie stand einfach da, bewegte sich nicht, sah mich an und lächelte ein bezauberndes glückseliges Lächeln. Es verschlug mir schier den Atem und ein Knoten aus heraufsteigenden Tränen der Rührung verschnürte mir die Kehle - wie unfassbar schön sie war! Um sie herum gruppierten sich kleine Menschenmengen, die miteinander sprachen und sich zuprosteten. Monets "Frühstück im Grünen" kam mir in den Sinn, als habe er einen Moment wie diesen festhalten wollen, als er es malte.

Schon einmal hatte ich sie so gesehen, beim ersten Mal, als wir uns trafen. Damals trug sie eine Jeans und war gerade aus dem Zug gestiegen, der sie von Hamburg nach Düsseldorf gebracht hatte. Ihre dunklen, rötlichen Locken umrahmten ihr wunderschönes Gesicht, sie sah sich suchend um und unsere Blicke kreuzten sich. Ich war ihr sofort erlegen, voller Charme und Zuneigung wandte sie sich mir zu, obschon sie mich doch noch gar nicht kannte. Sie gehörte zu den seltenen Menschen, die man ohne zu zögern in sein Herz schließt, weil sie das ihre sogleich für einen öffnen.

Dass ihr Besuch meiner Heimatstadt ihr Leben verändern würde, konnte damals niemand ahnen. Dass am Ende dieser schicksalhaften Reise ein Mann mit in einem Tweedanzug, Doc Martens und einem Ring in der Hand unter einem mit Tüll und Blumen verzierten Pavillon auf sie warten würde, hätte sich zu dem Zeitpunkt keiner träumen lassen.

Der Fußball, wie sollte es anders sein, hatte uns im Rheinland zusammengeführt, der FC St. Pauli gastierte dort bei meiner Fortuna und so nahmen wir dies als willkommenen Anlass, uns auf ein gemütliches Bier in der Altstadt zu treffen. Hamburger und Düsseldorfer, bunt gemischt, saßen am Tisch beieinander, jenem Tisch, an dem sich auch der Mann einfand, der später der ihre sein würde. Ein ruhiger Zeitgenosse, weder laut noch aufdringlich, ein Mensch der leisen, feinen Töne. Vielleicht verliebte er sich Knall auf Fall in sie, in diese quirlige, lebendige und herzenswarme Schönheit. So, wie ich es getan hatte.

Nun, Monate später, standen sie dort im Alsterpark, bereit, ihren Weg gemeinsam zu gehen, nie mehr voneinander getrennt zu sein, für immer vereint, füreinander bestimmt. Ich versuchte sie zu betrachten, während mein Blick glasig verschwamm und ich erneut ergriffen mit den Tränen rang. Ich sah die elfenbeinfarbene Blume in ihrem dunklen, kunstvoll aufgesteckten Haar und manchmal drehte sie ihr Gesicht lächelnd zu uns um, die wir im Halbkreis angeordnet hinter dem Paar saßen. Nur halb nahm ich wahr, was während der Zeremonie gesprochen wurde, aber ich vernahm ihrer beider "Ja", deutlich und kraftvoll. In tiefstem Vertrauen und erfüllter Liebe wandten sie sich einander zu, steckten sich die Ringe an und küssten sich innig.

Glücklich, dankbar und ein bisschen stolz dachte ich daran, dass meine Stadt und ich ein winziges Rädchen auf ihrer Reise und ihrer Geschichte waren und ich sie einen kleinen Teil ihres Weges begleitet hatte. Von weither waren sie gekommen, hatten viele Stationen ihres Lebens hinter sich gelassen. Den Ruhrpott hatten sie gesehen, aber auch Franken und sogar New York. Aber erst in Düsseldorf fanden sie zueinander. Und auf St. Pauli schlagen ihre Herzen nun im Gleichtakt, für immer.

Meine Stadt soll mein Geschenk für sie sein. Ich lege sie ihnen zu Füßen und umarme Beide an ihrer statt, wenn sie mich einmal besuchen kommen.


Für Astrid und Tobi.

                                                                                     (c) @rim_light

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