Samstag, 31. August 2013

Ein Abschied - Ein Aufbruch


Die letzten Tränen waren getrocknet. Klarheit hatte die Oberhand gewonnen, Wir hatten die Liga, in der wir zu Besuch waren, verlassen. Ich gewöhnte mich an den Gedanken. Er war ja kein neuer, ein vertrautes Umfeld würde unser neues, altes Zuhause sein.

Ich fühlte mich wider Erwarten wohl. Obwohl ich mich zuerst dagegen gesträubt hatte. Man kann nicht ewig im Schmerz suhlen. Zumindest ich wollte das nicht

Ich sah das Relegationsspiel, das ebenso gut hätte unseres sein können, mit gelassener Entspannung. Und war dankbar dafür. Am Rande nahm ich wahr, was mich, mit eigener Beteiligung, zum Wahnsinn getrieben hätte..

Ich wusste, wir waren in letzter Konsequenz dort, wo wir, planungsmäßig, hingehörten. Las über diverse Transfers, freute mich mit Vorbehalt.

Wir würden sehen. Ich wartete, in gespannter Haltung.

Wir hatten einen Abschied zu verkraften. Und hofften auf einen Neuanfang.

Seit langem war ich zum ersten Mal wieder guter Dinge. Den Glauben an meinen Verein würde ich nie verlieren.

Wir würden unseren Weg gehen!

Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein

Alles neu! Oder nicht?


Da waren wir also. Wieder da,ja. Angekommen, voller Hoffnung und Euphorie. Dass es endlich wieder losging, dass wir uns neu sortierten, mit Elan und frischem Mut zeigten, dass es auch anders ging als zuletzt mit hängenden Köpfen, leer und ausgelaugt.

So war der Plan, zurechtgelegt in den Köpfen der Meisten, auch in meinem. Ich sah unsere Diva da, wo sich sich auskannte, Boden bespielend, der vertraut war, auf Gegner treffend, die nicht länger in unerreichbarer Übermacht daherkamen.

Aber unsere Diva wäre ja keine launische, wenn sie es uns allzu einfach machte. Gewannen wir den Auftakt zuhause immerhin noch knapp, offenbarten sich mit fortschreitender Hinrunde alte Schwächen. Neue Spieler, gewohntes Bild.

Ein mehr als unrühmliches Pokalaus in der ersten Runde. Mühselige Liga Partien, die, zuerst sicher zu gewinnen geglaubt, spielbestimmend gestaltet, am Ende verloren wurden.

Die Favoritenrolle, so wir sie denn je inne hatten, waren wir endgültig los. Meine Fortuna zeigte ihr Gesicht, so wie es war. Etwas zerfurcht, voller Ecken und Kanten. Eine glattgebügelte Leichtigkeit suchte man hier vergebens.

Der Alltag hatte uns wieder. Liga Zwei war kein Selbstläufer, ist sie nie gewesen. Harte Arbeit wartete auf die Mannschaft und den Trainer. Passspiel, Zuordnung und Standards waren zu verbessern. Und Torabschlüsse. Ach ja, die Torabschlüsse..

Nun denn. Die Saison war erst jung. Noch war Zeit und ich gab die Hoffnung nicht auf, dass wir uns irgendwann fangen und sich Automatismen einstellen würden. Auch wenn mir bewusst war, dass wir einige unserer Fehler nie ausmerzen würden. Sie gehörten einfach zu uns und machten einen Teil unseres Charakters aus. Den Unmut Mancher darüber konnte ich ein Stück weit nachvollziehen, den Weg damit umzugehen, eher weniger.

Die große Mehrheit jedoch hielt unbeirrbar an ihrem Verein fest, mit all seinen Unzulänglichkeiten und Schwächen. Liebte, feierte und unterstützte ihn, so zuletzt mit einer unfassbar genialen und imposanten Choreo, zu Ehren der Fortuna und unserer Heimatstadt Düsseldorf, die ihren 725 jährigen Geburtstag feierte.

So sehr einige Niederlagen schmerzten, in mir überwog immer die Freude, meinen Verein spielen zu sehen, mit ihm Höhen und Tiefen zu teilen. Er bescherte mir jedes Mal Gänsehaut, wenn er den Rasen unserer Arena betrat und ich hoffte und litt mit ihm, egal, ob vor heimischer Kulisse oder auswärts.

Manchmal ließ er mich ratlos zurück, nie aber mutlos, denn ich glaubte an ihn und würde immer zu ihm stehen, egal, was auch passierte.

Auf geht's, Jungs! Weiter, immer weiter!

Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.


Sonntag, 19. Mai 2013

Vom Stolz Fortune zu sein


Der Morgen danach. Er schmeckte schal und bitter. Die Augen geschwollen, ob der geweinten Tränen und denen, die sich auf der Linse eingebrannt hatten, dort festsaßen, darauf warteten, sich ihren Weg zu suchen, hinunter zu rinnen, über eine geschundene Seele.

Das Herz quoll über, erfüllt von Schmerz. Die Hoffnung war gewichen, hatte hilfloser Ohnmacht Platz gemacht. Man hatte mir Beileid gewünscht, ich hatte gesagt, wir seien doch nur abgestiegen und nicht gestorben.

Und dennoch. Es war, als hätte ich uns beim Sterben zugesehen. Ganz langsam, Stück für Stück, unaufhaltsam. Seltsam widerstandslos. Weshalb nur hatte der Glaube gefehlt? Wo war es geblieben, das trunkene Gefühl des unfassbaren Glücks, das uns getragen hatte, in das große Abenteuer Bundesliga?

Wir hatten gefeiert, ja, selbst Niederlagen besungen, denn wir waren wieder da, nach all den Jahren, hatten geduldig gewartet und waren endlich oben angekommen. Waren stetig Schritt um Schritt vorangegangen, hatten uns vom tiefsten Keller in's Oberhaus vorgearbeitet.

Staunend hatte ich in Arenen gestanden, zu denen uns der Zutritt so lange Zeit verwehrt geblieben war, konnte kaum fassen, dass ich dort sein durfte, Seite an Seite mit gestandenen Ligadinos. Ich war so unglaublich stolz auf meinen Verein, darauf, dass er das geschafft hatte und mir schenkte, was ich mir schon so lange gewünscht hatte.

Mir war klar, dass die Jubelarien nicht ewig anhalten würden aber ich genoss jede einzelne Sekunde aus vollstem Herzen, fühlte mich wie ein Kind, dass staunend und mit glänzenden Augen vor einem riesigen Weihnachtsbaum steht, voller Erwartung und angespannter Glückseligkeit.

Es hätte immer so weitergehen können. Ja, wenn nicht...
Ich weiß selbst nicht, was es war. Es kam angeschlichen, lautlos, hinterrücks und ohne Vorwarnung. Ich sah, wie unsere Jungs mehr und mehr den Halt verloren, sich Fehler häuften, einfachste Dinge misslangen. Ein Team, das zerfiel, sich auflöste, miteinander stritt und die Homogenität verlor. Es hatte begonnen. Das langsame Sterben. Die Demontage des ganz großen Traums.

Jeder vertane Sieg schob uns näher an den Rand des Abgrunds, Punkt um Punkt wurde hergeschenkt. Der Wille war gebrochen, der Glaube verlor sich. Ich wollte ihnen helfen und konnte es doch nicht, ich konnte nur zuschauen, wie sie sich selbst aufgaben. Wie gerne wäre ich zu ihnen gegangen, hätte ihnen Mut zugesprochen, ihnen gesagt, wie stolz wir auf sie waren und wie glücklich sie uns gemacht hatten.

Die Worte verhallten ungehört, leere Blicke wichen der Verzweiflung, sie schienen zu ahnen, dass sie es nicht aus eigener Kraft würden schaffen können. Sie wussten, dass wir unbeirrbar zu ihnen halten würden aber auch das nützte nichts mehr.

Der Tag war gekommen, an dem wir Rechnung tragen mussten. Unaufhaltsam ergoss sich der Schmerz über uns, ungebremst traten wir den tiefen Fall an. Ich weinte, weil ich ihre Tränen sah, fühlte ihr Entsetzen, ihre Mutlosigkeit, ihre Trauer. Es gab keinen Traum mehr. Nur noch Leere, die die Brust schier zerspringen ließ, blankes Entsetzen, hilflose Wut.

Das große Abenteuer war zu Ende. Ich blickte dankbar auf ein Jahr zurück, dass ein Besonderes gewesen war. Für mich, für sie, für uns alle. Wir hatten erleben dürfen, wie es ist, sich mit den ganz Großen zu messen. Und hatten lernen müssen, dass man sich "oben" verdienen muss.

Wir würden einen neuen Weg gehen, gemeinsam mit ihnen. Die Wunden würden heilen und wir würden bleiben was wir immer waren, stolze Fortunen, die die Liebe zu ihrem Verein tief in ihren Herzen trugen. Und das würde sich niemals ändern.

Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.

Sonntag, 12. Mai 2013

Heimspiel 2


Ich erwachte nach einer durchzechten Nacht, in der reichlich Bier und vielleicht ein, zwei Jägermeister zuviel geflossen waren. Folglich war mir schlecht und mein Kopf sagte: "Das hättest Du nicht tun sollen.."

Dieses paarte sich mit Aufregung, denn der 33. Spieltag war angebrochen und ich würde zum letzten Mal vor der Sommerpause ein Heimspiel meiner Fortuna besuchen. Wie immer an solchen Tagen zählte ich die Stunden, bis ich endlich die Arena betreten würde und brachte ob der Anspannung keinen Bissen hinunter.

So viel stand auf dem Spiel, denn wir mussten darum kämpfen, in der Liga verbleiben zu können, ebenso wie die anderen Mannschaften mit demselben Ziel, mit denen wir uns um Punkte und Plätze stritten.

Nervös, unruhig und mit Magenschmerzen machte ich mich auf den Weg. Ich fuhr die gewohnten Straßen entlang und freute mich über all jene, die mit mir unterwegs waren und sich mittels Aufklebern, Schals, Wimpeln, Kennzeichen und Anhängern zu unserem Verein bekannten.

Im Außenbereich der Arena herrschte bereits reges Treiben, tausende Fans tummelten sich auf den Vorplätzen und genossen ihre Erfrischungen an den Bierständen. Regen hatte eingesetzt und ich ging Schritt für Schritt in Richtung Eingang, bedächtig und langsam, sah an der Fassade der Spielstätte hoch und Wehmut erfasste mich. Ich liebte es hier zu sein. Ich fühlte Heimat, dies war mein Zuhause, mit all dem Glück und Leid, welches uns stets begleitet hatte.

Inmitten dieser Menschenmenge fühlte ich mich allein und wollte es auch sein. Ich mochte niemanden treffen und mich auch nicht unterhalten. Fand den Weg in meinen Block, der noch halb leer war. Mein Blick erfasste die Kurve, die in Rot getauchte Süd, auf dem Rasen gingen Fernsehmenschen ihrer Tätigkeit nach, ich hörte die Stimme unseres Stadionsprechers ohne wahrzunehmen, was er sagte, Fabi kam auf den Platz, Beifall brandete auf.

Die Jungs betraten den Rasen, um sich warm zu machen, liefen auf die Kurve zu, klatschend in Anerkennung ob des Supports, der ihnen ein um's andere Mal zuteil wurde. Ich sah sie an, mit Tränen in den Augen, fühlte mich voller Zuneigung mit ihnen verbunden und wusste, ich würde sie so sehr vermissen, ja, manche von ihnen vielleicht zum letzten Mal überhaupt in unserem Vereinstrikot begrüßen.

Die Rituale wurden abgespult, das Grün geräumt, die Spielernamen des aufgestellten Kaders aufgerufen und die Einlaufmusik setzte ein. Wie gewohnt durchlief mich ein Schauer und ich bekam Gänsehaut. Ich sog die Atmosphäre ein und ließ mich mitreißen. Wir waren eins mit ihnen. Eine Einheit, die Stadt, die Fans, die Spieler.

Die vertrauten Klänge des "95 olé!" schallten aus den Lautsprechern, wir sangen mit, so wie wir es immer taten, schworen uns aufeinander ein. Das Motto des Tages "Kämpfen" war ausgegeben und es war angerichtet. Kurve und Supporter ehrten unseren Lumpi mit einer wunderschönen Choreo, reckten Schilder mit seinem Namen und Transparente mit seinem gemalten Konterfei in die Höhe und dankten ihm für die vielen Jahre, in denen er seine Treue und Liebe zu seiner Fortuna gezeigt, gelebt und bewiesen hatte.

Nicht nur wir waren davon ergriffen, auch er selbst, so schien es, denn er wirbelte auf dem Feld in quirliger Messi Manier herum, wenn auch freilich ohne dessen technische Qualitäten. Er zeigte das, womit er sich schon vor langer Zeit in unserer Herzen gespielt hatte, Leidenschaft und Kampf für die Mannschaft, unermüdlich einsatzbereit, nichts unversucht lassend, dem Team dienlich zu sein.

Ich nahm wahr, dass die Jungs sich den Kampf vorgenommen hatten und ihn auch praktizierten. Zumindest anfangs. Beflügelt durch den Führungstreffer, den uns ein Nürnberger geschenkt hatte, fühlten wir, dass da was geht. Hoffnung keimte auf, es aus eigener Kraft schaffen zu können, sich ein Stück oberhalb der gefährlichen Tabellenzone positionieren zu können.

Eine Halbzeitpause kann ein Segen sein. Oder ein Fluch, je nach dem. In der stattgefundenen müssen wohl die falschen Worte gefallen sein, anders konnte ich mir die veränderte Haltung der Mannschaft nicht erklären. Statt des Bemühens Vorteil aus der Führung zu ziehen, schien alles aus dem Ruder zu laufen. Der Faden war verloren und folgerichtig drehte der Club das Spiel und erarbeitete sich den 2:1 Endstand.

Ich hatte Mühe, mich zu sammeln, fühlte mich mutlos und wie erschlagen. Vielleicht ging es den Jungs ähnlich, kraftlos und enttäuscht verließen sie ohne die sonst übliche Abschiedsrunde den Platz. Wir hätten sie dennoch gefeiert, ihnen Respekt gezollt, aber vermutlich empfanden sie, das nicht verdient zu haben oder es war ihnen schlicht nicht danach zumute.

So still, wie ich gekommen war, verließ ich die Arena und arbeitete mich zum Bahnsteig vor. Fand Platz in einem überfüllten Abteil, umringt von Nürnbergern, die friedlich, freundschaftlich und sportlich fair den Spielverlauf analysierten. Meinen Kopf hielt ich während der ganzen Fahrt gesenkt, sah niemanden an und war dankbar, dass keiner versuchte mich in ein Gespräch zu verwickeln.

Eine weitere Woche würde vergehen, eine ohne Gewissheit, was die Zukunft bringen würde, versehen mit einer Gefühlswelt, die sich aus einem Gemisch aus letzter Hoffnung und auch einem Stück Resignation zusammensetzte.

Aber auch wenn ich geknickt war, eines war gewiss. Ich würde jeden Weg mit ihnen gehen. Sie gehörten zu mir und sie würden immer ein Teil von mir sein. Ich würde sie niemals im Stich lassen und würde weiter mit ihnen lachen, weinen, hoffen, schimpfen, kämpfen, leiden und feiern.

Sie sind die eine Liebe, die nie vergeht.

Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.

Dienstag, 30. April 2013

Heimspiel


Nach unruhiger Nacht wachte ich auf und wusste, es ist ein besonderer Tag. Meine Fortuna bestritt ein Heimspiel! Wie gewohnt schlug mir die Aufregung auf den Magen, ich brachte keinen Bissen hinunter und zählte die Stunden bis zum Anpfiff. Vertrieb mir die Zeit mit dem Studium der Tabelle, errechnete Punkte und erwog meine Trikotwahl.

Dann endlich war es soweit, es sollte losgehen. Es war da, wie gewohnt, das Kribbeln, Schmetterlinge im Bauch, ich würde sie sehen, meine Jungs. Eine Erregung, wie frisch verliebt. Ich wollte dahin, in unsere Arena, sie zu sehen, auf unserem Rasen. Ich fuhr mit Stolz, betrachtete die Autos um mich herum, deren Besitzer ihre Zuneigung zu unserem Verein mittels Aufklebern, Schals, Wimpeln, Kennzeichen und Anhängern eindrucksvoll demonstrierten.

Wir waren auf dem Weg. Hier, in unserer Heimat. Wir alle hatten ein Ziel. Unseren Verein. Eben diesen Verein, der in seiner Entstehung und für ewig mit unserer Stadt verknüpft sein würde. Für den wir leben und leiden würden. Und haben.

Den Stau überwindend fand ich Platz im Gedränge und marschierte auf die Arena zu. Ich lebte mein lieb gewonnenes Ritual. Vom Trikot überstreifen bist zum Eingang der Arena und darüber hinaus. Ich durchlief im Eilmarsch das Einlass Prozedere, rannte die Stufen hoch, bahnte mir den Weg zu meinem Block. Hielt inne, um mir lieb gewordene Fortunen zu treffen, mit ihnen zu sprechen, Mut zu finden für die Aufgabe, die vor uns lag.

Ich betrat meinen Block, spürte die Anspannung. Blickte auf unsere Heimkurve. Sie war schon fast vollzählig versammelt. Wie sehr liebte ich das. Diese Athmosphäre, die Bekenntnisse zu unsrer Mannschaft. All die Fahnen, Transparente, der Gesang.

Und dann, ja, dann kamen sie. Untermalt von unserer Einlaufmusik,
bei der ich immer und immer wieder Gänsehaut bekomme. 95 olé..
schallte es aus all den Kehlen. Und wir meinen es so. Weil sie bedingungslos das sind, was wir wollen.

Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.

Montag, 22. April 2013

Hamburg - Eine Perle

Montag, 22. April 2013

Hamburg. Eine Perle

Ja, ich habe mich darauf gefreut, wochenlang. Endlich nach Hamburg zu fahren, in diese wunderschöne Stadt, deren architektonisch traumhafte Häuser so beeindruckend die breiten, großzügigen Straßen säumen wie Perlen an einer gleichmäßigen Schnur. Zumindest in St. Georg, wo das Hotel lag, gleich am Wasser, mit berauschender Aussicht.

Entlang des riesigen Hafens und durch den Elbtunnel die Stadtgrenze passierend musste ich aus Zeitgründen allerdings zuerst direkt Kurs auf die Arena nehmen, in der meine Fortunen an diesem Spieltag gastierten. Die Stadt war in Sonne getaucht, die Wärme stieg an, so wie meine freudige Erwartung.

Eine Stunde vor Anpfiff stellte ich mich am Eingang zur Einlasskontrolle an. Zuerst geduldig. Bis ich sah, dass die Schlange hinter mir ins Unermessliche wuchs, während vorne 2- in Worten ZWEI- Ordner versuchten, der Lage Herr zu werden und die Massen durchzuschleusen. Mann für Mann für Mann für...

Aber gut. Man muss es nehmen, wie es kommt. Wir vertrieben uns die Wartezeit mit rot-weißen Schlachtgesängen und schmetterten der Arena alles entgegen, was das Repertoire hergab. Die sich bereits im Inneren des Areals auf den Gängen der oberen Etagen befindlichen Fans stimmten freudig den "For-tu-naaa!" Wechselruf an, der von uns lautstark mit "Düüü-ssel-dooorf!" quittiert wurde.

Die Stimmungslage war also ausgezeichnet, der Kampf am Einlass irgendwann gewonnen, die Treppen zum Block erklommen, die Anstehzeit am Bierstand, an dem 1- in Worten EIN- Barmann versuchte, die durstigen Kehlen zu versorgen, Mann für Mann für...,
überwunden, mit Bier bewaffnet der eigene Platz gefunden. Gerade rechtzeitg. Es konnte losgehen.

Ich hätte mir durchaus mehr Zeit lassen können. Eigentlich. Denn die Fortunen schienen noch nicht ganz erwacht, liefen dem Spiel des Gegners hinterher, ließen sich nach hinten drängen. Das oft gewohnte Bild. Ich gab alles, was in meiner Macht stand. Ich war da und schrie. Schrie mir die Seele aus dem Leib, klammerte mich an Bier und den Trennstangen fest, um nicht vor lauter Inbrunst vorne über kippend durch den Block zu fallen. Ein sich mir einprägendes imaginäres Bild, mein Verein, der sich nach oben gekämpft hatte und nun drohte kopfüber im Steilflug durch die Liga nach unten zu rasseln.

Manchmal musste ich mich setzen und verschnaufen. Brüllen ist anstrengend. Für mich aber wichtig. Ich will, dass sie da unten auf dem Rasen wissen: Wir sind da, bei Euch, wir stehen zu Euch und unterstützen Euch. Immer und zu jeder Zeit. Zugegeben, die zwei kurz hintereinander fallenden Führungstreffer der HSVer entrangen mir ein leises Jammern, ob ihres Zustandekommens und dem Gedanken "Nicht schon wieder.."

Gejammert wird nur im Stillen, zumindest praktiziere ich das so. Wozu Spieler beschimpfen, die sowieso schon mit sich hadern, mutlos und ängstlich agieren und denen das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten fehlt. Davon halte ich nichts.

Zur Pause schöpfte ich neuen Mut und gönnte mir ein weiteres Kaltgetränk, es galt die Stimme zu ölen, um mit allem, was die Bänder hergaben den Kampfgeist unserer Truppe herbei zu singen. In die Tat umgesetzt wurde es sogar von kurzem Erfolg gekrönt, unsere Jungs schmissen alles in's Spiel, was die Körper hergaben, rannten und fighteten, bis der Anschlusstreffer durch, jawohl, den Dani fiel. Ich gönnte es ihm, war es doch eine ganze Weile her, dass er eingenetzt hatte.

Es nützte nichts. Am Ende standen sie auf dem Feld, die Arme hängend, manche Gesichter traurig, andere wütend.

Die üblichen Gedankengänge machten sich breit. "Sie haben so gekämpft. Hätten sie sich doch wenigstens mit einem Punkt belohnen können. Sie schenken Chancen zu leicht her, Spiel um Spiel. Sie hatten kein Glück, dann kam noch das Pech dazu." Jaja.

Sie taten mir leid. Woche für Woche Hoffnung, im Kopf den festen Plan Klassenerhalt. Tausende, die mit ihnen umherreisen, sie lieben, sie aufmuntern. Und doch sind sie selbst zum Schluss wieder ihr größter Gegner gewesen.

Ach, Fortuna..

Ich fühlte mich, als läge eine Schlinge um meinen Hals und irgendjemand zog sie stetig fester zu. NIedergeschlagen trat ich den Weg in's Hotel an. Meine Blicke überflogen die wunderschöne Perle, die sich mir bot, wie sie dalag, in all ihrer majetätischen Pracht. Nein Hamburg, an Dir lag es nicht. Du hast alles aufgeboten, um mir Deinen Glanz zu präsentieren. Allein, ich wusste es nicht zu würdigen. An diesem Tag würdest Du nicht meine Perle werden.

Mein mir eigener Fortunenberufsoptimismus hatte Risse bekommen, so sehr ich auch versuchte, es mit Gleichmut und Fassung zu ertragen. Es tat mir weh, unsere Mannschaft zu sehen, die wiederholt wie ein geprügelter Hund vom Rasen schlich, um ihre Fehler wissend und die Ohnmacht, es nicht verhindern zu können.

Ich ahnte, wie viele sich darüber freuen würden, dass wir erneut versagt hatten. Ich wusste aber auch um die, die mir sagen würden "Kopf hoch, Ihr schafft das!" Dennoch, ich fühlte mich leer.

Ich hätte mich gerne in mein Bett verkrochen und mich durch die Minibar gearbeitet, fasste dann aber den Entschluss, dem Abend noch eine Chance zu geben. Ein Taxi brachte mich nach St. Pauli, vorbei am Millerntor. Kurz war ich abgelenkt, ein Seufzen ging mir über die Lippen, ich dachte an Frau Jeky und das Versprechen, dass ich ihr gegeben hatte. Eines Tages werde ich dort sein. Am Millerntor. Ich werde den FC St. Pauli spielen sehen, vielleicht ja sogar gegen meine Fortuna, wer weiß.

An der Davidstraße angekommen, durchlief ich sie in Richtung Reeperbahn. Es war mehr ein Durchpflügen, sie quoll über vor Menschen, viele von ihnen waren singende und feiernde Fortunen. Ich mag es normalerweise, dass wir uns nie unterkriegen lassen und unsere gute Laune behalten, egal was passiert. An jenem Abend konnte ich es nicht. Mir war einfach nicht nach Party zumute.

Die Amüsiermeile bot das Bild, das ich zuhause von der Altstadt kenne, laut und bunt, amerikanische Fresstempel, Musik schallte aus den Kneipen, einzig der Anteil der Geschäfte, deren Schaufensterpuppen Reizwäsche feilboten, war hier um ein Vielfaches höher. Und natürlich jede Menge Clubs und auch freistehende Damen, die diese Wäsche vermutlich unter ihren Jacken trugen.

Wirklich aufmerksam wurde ich erst, als ich den St. Pauli Fanladen erspähte. Mit einem derart durchgestylten Merchandise-Shop hatte ich nicht gerechnet und hätte diese Optik allenfalls erwartet, wenn es sich hier um meinen Heimatverein handeln würde, der seine Produkte auf der Kö vertreibt (was er nicht tut, jeder, der unsere Geschäftsstelle kennt, weiß das).

Meine Zuneigung zum FC St. Pauli zog mich dann aber doch in den Laden, dessen EIngangstür von zwei imposanten Security Mitarbeitern bewacht wurde. Mutig trat ich ein und sah mir alles an, was der Club an Vereinseigenem anbot. Ich erwog den Kauf eines Shirts, verwarf den Gedanken jedoch wieder, da ich fand, dass das Tragen dieser Shirts und Trikots jenen vorbehalten sein sollte, die mit Stolz und Liebe zeigen wollen, welchem Verein sie angehören. Ich wäre mir meinem Eigenen gegenüber auch ein bisschen wie ein Verräter vorgekommen. Außerdem wollte ich den Fanstuff nicht zum Souvenir degradieren. Das mag albern sein, mir erschien es jedoch nicht richtig. Immerhin, ich bin mal da gewesen. Die Freude darüber fand ich legitim.

Eine weitere Perle entdeckte ich dann doch noch, in einer kleinen, dunklen Seitengasse. Am Ende einer Häuserreihe drückte sich, für mich völlig unerwartet, eine winzige Kirche an die anliegende Gebäudewand. Wäre sie nicht angeleuchtet gewesen, hätte ich sie vermutlich übersehen. Sie schien alt zu sein, mutete fast südländisch an und stand da in all ihrer Ruhe und Stille, direkt hinter all dem hektischen Treiben in ihrer unmittelbaren Nähe.

Der Abend und ich wurden keine Freunde mehr. Ich beließ es bei einem kleinen Essen und fand mich alsbald im Bett wieder.

Der Morgen darauf brachte mir keine neuen Erkenntnisse, ich nahm die Sonne wahr, die unbeirrt vom Himmel lachte und die Außenalster in schönstem Blau erstrahlen ließ. Marathonlaufende Mitmenschen rannten an mir vorbei, entlang der Straße, gesäumt von klatschenden, antreibenden und sportbegeisterten Schaulustigen.

Ich verließ sie Stadt ebenso, wie ich gekommen war, mit leichtem Gepäck ohne zählbaren Zuwachs. Sie zeigte sich noch einmal von ihrer besten Seite und lud mich ein wiederzukommen. Das würde ich. Bestimmt. Aber zuerst musste ich nach Hause, in meine Heimat, in der mein Verein auf mich wartet. Den Blick nach vorne gerichtet, auf ein schweres Heimspiel, das uns als nächstes erwartet. Für Trübsal bleibt keine Zeit, Mut und Hoffnung müssen wieder die Oberhand gewinnen und mich begleiten, wenn ich am Samstag voller Freude und Stolz zu meiner Fortuna gehe. Und sie anfeuere, so sehr ich nur kann. Egal, wo sie auch spielt.


Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.

Sonntag, 10. März 2013

Der ganz große Wurf


Nun stand es also an, das Rückspiel Fortuna Düsseldorfs gegen den Ligaprimus FC Bayern München. Angesichts unserer Hinspiel-Niederlage von 0:5 in heimischer Arena, wenngleich unter frenetischem Jubel gefeiert, dämpfte meine Erwartungshaltung auf ein Minimum. Augen zu und durch.

Unsere Jungs indes marschierten erhobenen Hauptes auf's Münchner Spielfeld; was hatte man schon zu verlieren? Auch wenn man sich erfahrungsgemäß gegen große Gegner oft besser und konzentrierter anstellte als bei solchen, die vermeintlich auf Augenhöhe liegen, war die Ausgangslage doch eine einfache. Der FCB spielt "in einer eigenen Liga", wird sich die Meisterschaft nicht mehr nehmen lassen und gewinnt Spiel um Spiel, oft hoch und meist zu Null, unabhängig davon, welch hochrangiger Gegner auch gegen ihn anzurennen versucht.

So spielte unser Team von Beginn an forsch auf, begünstigt auch dadurch, dass Bayern es ungewöhnlich ruhig angehen ließ, trotz des Trainers Ermahnung, dass die Düsseldorfer durchaus ernst zu nehmen seien.

Wir hatten vielleicht auch den Vorteil, dass wir uns allein auf dieses Match fokussieren konnten, während für die Münchner bereits am Mittwoch ein Champions League Spiel auf dem Programm steht.

Von der bis dato halben Kraft der Bayern profitierend geschah in der 16. Minute das unglaubliche: Wir gingen in Führung!

Ein Moment des unfassbaren Glücks. Wir, der kleine, totgesagte Aufsteiger, erzielten auswärts das 1:0. In München! Bescherten dieser Übermannschaft den erst 9. Gegentreffer der gesamten Saison. Was für ein Gefühl, welch unbändige Freude! Das rot-weiße Herz tanzte in der Brust,hoch gesteckte Arme wurden ergriffen, gemeinsam umher hüpfend brüllte man sich "Tor!Tor!" in einer Lautstärke ins Ohr, die unter normalen Umständen einen Kopfhörer zum Schutz des Trommelfells erfordert hätten, Gesichter, die gemeinsam strahlten ob des unbegreiflichen Geschehens.

Leise meldete sich eine kleine Stimme in meinem Hinterkopf: "Noch so lange zu gehen.." Oft schon hatten wir eine frühe Führung hergeschenkt, hatten Mühe, die Konzentration über die restliche Spielzeit konstant aufrecht zu erhalten.

Wie erwartet erhöhten die Bayern nun deutlich den Druck, generierten Chance um Chance, belagerten unser Tor und obwohl wir versuchten, so kompakt wie möglich zu verteidigen, kam, was kommen musste: Der letztlich unhaltbare Schuss Müllers vorbei an Fabi Giefer in unseren Kasten kurz vor der Halbzeitpause. Da war selbst unser Schlussmann machtlos, der zuvor Bälle abgewehrt hatte, die bei manchen Kollegen seiner Zunft vermutlich längst im Netz gelandet wären.

Im folgenden Verlauf ergab sich das Bild des -vermutlich unfreiwilligen- Versuchs, das bisherige Ergebnis zu verwalten. Tief in den eigenen Strafraum gedrängt, zeigte sich einmal mehr, welche Unterschiede zwischen uns und den Bayern im Hinblick auf Tempo, Technik und spielerischen Möglichkeiten bestehen. Aus der Defensive heraus einen schnellen Konter zu erzeugen, war für die Fortunen in dieser Phase unmöglich.

Bis zur 70. Minute konnten wir uns erfolgreich gegen weitere Großchancen der Münchner wehren. Es mehrte sich die Hoffnung auf die kleine Sensation, einen Punkt aus der Allianz Arena mitnehmen zu können. Das Glück schien uns hold, denn selbst eigentlich hundertprozentig sichere Tor- und Lattenschüsse des Gegners wurde vom überragenden Giefer pariert.

Und plötzlich passierte das Wunder Nr.2. Giefer schlug ab, Fink verlängerte per Kopf, Lumpi fischte den Ball und rannte los. Zwei gegnerische Spieler nahmen die Verfolgung auf aber Lumpi rannte und rannte. Und er schoss. Ein Mann, ein Ziel, ein Tor! Sein erstes Bundesligator. Ein historisches. Denn niemandem außer ihm gelang es bisher, für denselben Verein in vier Ligen Tore zu erzielen. Ihm, dem so oft Gescholtenen ob seiner mangelnden spielerischen Qualitäten.

Ungläubiges Staunen und grenzenloser Jubel machten sich breit, Adrenalin schoss durch meine Adern. Da war er, der ganz große Wurf. Eine zweimalige Führung beim Rekordmeister! Wir fühlten uns wie die Könige. Und das waren wir in jenem Moment auch. Ein unbändiger Stolz erfüllte mich. Eine Liebe, fest verankert in meinem Herzen, für unsere Truppe, einfache Jungs, aus zumeist unteren Ligen zusammengewürfelt, weil wir uns Stars aus dem europäischen Spitzenmarkt schlicht nicht leisten können.

Arbeiter, die gelernt haben, was uns auszeichnet: Kampfgeist. Und die Demut, den unteren Rand der Peripherie zu beschreiten, wenn das eigene Spielvermögen seine Endlichkeit erreicht.

In tiefer Dankbarkeit genoss ich diesen- für mich unvergänglichen- raren Augenblick. Aus dem ich kaum zwei Minuten später erwachen musste, als der Ausgleichstreffer in unserem Kasten klingelte.

Noch immer hoffte ich für unsere Jungs, den einen Punkt halten zu können. Einen Punkt für den Mut, sich nicht kampflos zu ergeben, dafür, dass man trotz des Wissens um die absolute Überlegenheit des Gegners Möglichkeiten gesucht und gefunden hatte.

Es sollte nicht sein. In der 86. Minute fiel der finale Siegtreffer des FCB. Es gab keine Belohnung, stattdessen nur das, was zu Beginn der Partie jeder erwartet hatte. Ein Ergebnis, dass uns mit leeren Händen dastehen ließ.

In meinen Stolz für unsere tapferen Kämpfer mischte sich Trauer. Ich hätte es ihnen so sehr gegönnt, etwas Zählbares nach Hause mitzunehmen. Mir war egal, ob man das allgemein für vermessen hielt. Wie groß muss die Enttäuschung gewesen sein. Zweimal war ein Erfolg zum Greifen nah aber am Ende stand man da und schmeckte nur den Triumph der anderen. Den größten Respekt haben sich sich dennoch verdient, zumindest meinen.

Ich gebe die Hoffnung auf den Klassenerhalt nicht auf, auch wenn der Punktevorsprung schmilzt. Die Mannschaft ist zusammengewachsen und hat bewiesen, dass sie Moral zeigen kann.

Fortuna Düsseldorf. Meine Liebe, mein Verein.